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Die Unterbilanz und die Ausschüttung an den Gesellschafter

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Führt eine Ausschüttung an den Gesellschafter einer GmbH zu einer Unterbilanz, weil ein Darlehensrückzahlungsanspruch der Gesellschaft gegen den Gesellschafter nach bilanzrechtlichen Grundsätzen wertberichtigt werden muss, erlischt der Anspruch aus § 31 Abs. 1, § 30 Abs. 1 GmbHG nicht schon durch die Rückzahlung des Darlehens.

Von § 43a GmbHG wird nur die Ausreichung eines Darlehens erfasst. Gerät die Gesellschaft später in eine Unterbilanz, ist § 43a GmbHG nicht anwendbar.

Unterbilanzhaftung

So verneint der Bundesgerichtshof zunächst die Annahme, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seien Darlehensrückzahlungsansprüche der Gesellschaft gegen ihre Gesellschafter in der Handelsbilanz nicht zu aktivieren, soweit es darum gehe festzustellen, ob eine weitere Ausschüttung an die Gesellschafter zu Lasten der Stammkapitalziffer gehe und damit gegen § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG verstoße. Rückzahlungsansprüche aus Darlehen der Gesellschaft an ihre Gesellschafter sind in der Handels- wie in der Überschuldungsbilanz mit ihren wahren Werten zu aktivieren.

Ob aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 24. November 2003 etwas anderes folgt, kann offen bleiben. Denn der Bundesgerichtshof hat die in diesem Urteil zur Zulässigkeit von Darlehensvergaben an Gesellschafter aufgestellten Grundsätze – auch für Altfälle – aufgegeben. Ein Darlehen der Gesellschaft an einen Gesellschafter kann danach – wie es der Gesetzgeber in § 30 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 GmbHG nF klargestellt hat – nur dann als verbotene Auszahlung des zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögens gewertet werden, wenn das Darlehen nicht durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter gedeckt ist. In diesem Fall kann der Darlehensrückzahlungsanspruch aber schon deshalb nicht mit seinem vollen Nennwert in die Handelsbilanz eingestellt werden, weil er in dem Umfang, in dem eine Rückzahlung ernstlich zweifelhaft ist, nach allgemeinen bilanzrechtlichen Regeln in seinem Wert berichtigt werden muss. Danach kommt es für die Anwendung der §§ 30, 31 Abs. 1 GmbHG darauf an, ob bei bilanziell zutreffender Bewertung der Darlehensrückzahlungsansprüche gegen die Gesellschafter durch die weitere Ausschüttung eine Unterbilanz entstand oder vertieft wurde.

Nichts anderes gilt im hier entschiedenen Fall für das der J. AG gewährte Darlehen. Es ist unabhängig von der Frage, ob die Geschäftsführer auf die J. AG einen beherrschenden Einfluss ausüben konnten, mit seinem wahren Wert zu bilanzieren.

Geschäftsführerhaftung nach § 43 Abs. 3 GmbH

Da die Beklagten nicht nur Gesellschafter, sondern auch Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin waren, haften sie nicht nur nach § 31 Abs. 1, sondern auch nach § 43 Abs. 3 Satz 1 GmbHG und insoweit als Gesamtschuldner. Diese zusätzliche Haftung besteht gemäß § 43 Abs. 3 Satz 3 GmbHG – da die Beklagten als GesellschafterGeschäftsführer so zu behandeln sind, als hätten sie in Befolgung eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung gehandelt – aber nur dann, wenn der Ersatz zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich war, wozu das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat. Dass der Ersatzbetrag jedenfalls später zur Gläubigerbefriedigung erforderlich geworden ist, reicht dagegen nicht aus.

Darlehnsrückzahlung

Die (teilweise) Rückzahlung der Darlehen durch die Beklagten und die J. AG hat nicht zu einem Erlöschen des Anspruchs aus § 31 Abs. 1, § 43 Abs. 3 GmbHG geführt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entfällt der Anspruch gegen den Gesellschafter aus § 31 Abs. 1 GmbHG – und damit auch die Geschäftsführerhaftung nach § 43 Abs. 3 GmbHG – nicht von Gesetzes wegen, wenn das Gesellschaftskapital später anderweit bis zur Höhe der Stammkapitalziffer nachhaltig wiederhergestellt ist. Der Bundesgerichtshof hat dazu auf die funktionale Nähe des Anspruchs aus § 31 GmbHG zu dem Einlageanspruch der Gesellschaft abgestellt, der ebenfalls nicht dadurch erlischt, dass der Gesellschaft anderweitig Kapital zugeführt wird. Ferner hat er berücksichtigt, dass die Gesellschaft die Möglichkeit haben muss, den Anspruch aus § 31 Abs. 1 GmbHG durch eine Abtretung wirtschaftlich zu verwerten, und dass diese Möglichkeit vereitelt oder jedenfalls erschwert wird, wenn die Zahlung des Kaufpreises für den Anspruch dazu führen könnte, dass er in Höhe der Kaufpreiszahlung erlischt.

Der vorliegende Fall weist keine Besonderheiten auf, die Anlass zu einer abweichenden Beurteilung geben würden. Wenn die Darlehensrückzahlungsansprüche der Insolvenzschuldnerin – wie hier zu unterstellen ist – zum Zeitpunkt der Ausschüttung der 480.000 € an die Beklagten nicht werthaltig waren, führte die Ausschüttung zu einem Erstattungs- bzw. Schadensersatzanspruch der Insolvenzschuldnerin gegen die Beklagten nach § 31 Abs. 1, § 43 Abs. 3 GmbHG. Daneben hatte die Insolvenzschuldnerin weiterhin die zwar nicht werthaltigen, aber doch weiter bestehenden Ansprüche aus den Darlehensverträgen. Wenn diese Ansprüche dann später – wider Erwarten – erfüllt worden sind, wirkt sich das nur auf die Darlehensverhältnisse aus. Der daneben und unabhängig von diesen Darlehensverhältnissen bestehende Anspruch aus § 31 Abs. 1, § 43 Abs. 3 GmbHG wird davon ebenso wenig berührt wie durch eine Verbesserung der Vermögenssituation infolge einer erfolgreichen Geschäftstätigkeit.

Allerdings unterscheidet sich der vorliegende Fall in einem entscheidenden Punkt von dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26. Januar 2009 zugrunde liegenden Fall einer Kapitalaufbringung bei einem sogenannten Her- und Hinzahlen. Dort ging es um eine Zahlung, die dem Gesellschafter unter Verstoß gegen die Eigenkapitalbindung nach den sogenannten Rechtsprechungsregeln gewährt worden war und die demgemäß einen Rückzahlungsanspruch entsprechend § 31 Abs. 1 GmbHG ausgelöst hatte. Da der Einlageanspruch mit Beträgen, die gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften an den Gesellschafter ausgezahlt worden sind, nicht erfüllt werden kann, bestand unabhängig von der Tilgungsbestimmung des Gesellschafters in jenem Fall nur eine Forderung, die durch die Gesellschafterzahlung erfüllt werden konnte, nämlich der Anspruch aus § 31 Abs. 1 GmbHG analog. Im vorliegenden Fall dagegen waren die Darlehen an die Beklagten und die J. AG gerade nicht unter Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsregeln ausgezahlt worden. Es bestanden somit voneinander unabhängige Ansprüche auf Rückzahlung der Darlehen und gegebenenfalls auf Erfüllung des Anspruchs aus § 31 Abs. 1, § 43 Abs. 3 GmbHG. Deshalb konnte die Rückzahlung der Darlehen auch nur zum Erlöschen der Darlehensansprüche, nicht aber auch des Anspruchs aus § 31 Abs. 1, § 43 Abs. 3 GmbHG führen.

§ 43a GmbHG ist nicht nur auf Fremdgeschäftsführer, sondern auch auf – wie hier – Gesellschafter-Geschäftsführer anwendbar. Nach dieser Vorschrift ist – abweichend von § 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG – der Darlehensrückzahlungsanspruch gegen den Geschäftsführer bei der Prüfung, ob die an ihn zu zahlende Darlehensvaluta aus ungebundenem Vermögen geleistet werden kann, als nicht werthaltig zu unterstellen und darf damit – insoweit – nicht aktiviert werden. Verboten ist nach § 43a GmbHG aber nur ein Darlehen, das bei – unter Berücksichtigung dieser Berechnungsweise – bestehender Unterbilanz ausgereicht wird oder durch dessen Ausreichung eine Unterbilanz entsteht. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, darf auch einem Geschäftsführer oder einer anderen der in § 43a GmbHG erwähnten Führungskräfte ein Darlehen gewährt werden.

Damit ist aber noch nicht die Frage beantwortet, ob der Darlehensrückzahlungsanspruch auch dann außer Ansatz bleiben muss, wenn es um eine weitere Zahlung an den (Gesellschafter-)Geschäftsführer geht, insbesondere um eine Gewinnausschüttung.

Das käme jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn sich § 43a GmbHG, wie eine Meinung im Schrifttum annimmt, nur auf den Zeitpunkt der Ausreichung des Darlehens bezieht. War zu diesem Zeitpunkt genug freies Vermögen vorhanden, bleibt nach dieser Meinung das Darlehen mit dem vereinbarten Fälligkeitszeitpunkt unabhängig von der weiteren Vermögensentwicklung der Gesellschaft zulässig. Es ist wie jedes andere von der Gesellschaft ausgegebene Darlehen zu behandeln. Dann besteht aber auch kein Anlass, den Darlehensrückzahlungsanspruch bei der Beurteilung weiterer Ausschüttungen außer Ansatz zu lassen.

Etwas anderes könnte gelten, wenn man der Meinung folgt, nach der der Rückzahlungsanspruch gegen den Geschäftsführer aus einem unter Beachtung des § 43a GmbHG geschlossenen Darlehensvertrag nachträglich nach § 43a GmbHG zur sofortigen Rückzahlung fällig wird, wenn eine Unterbilanz entsteht. Nach dieser Meinung könnte es folgerichtig sein, den Darlehensrückzahlungsanspruch bei der Feststellung einer Unterbilanz dauerhaft außer Betracht zu lassen.

Zutreffend ist die zuerst genannte Meinung.

Dafür spricht schon der Wortlaut des § 43a, wo allein davon die Rede ist, dass ein Darlehen nicht “gewährt” werden darf. Dem entspricht der Bericht des Rechtsausschusses des Bundestages vom 16.04.1980 zu dem Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften, auf dessen Vorschlag § 43a in das GmbHGesetz eingefügt worden ist. Darin heißt es, die Vorschrift erfasse ihrem Wortlaut nach nur Kredite, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes gewährt würden. Das wäre anders, wenn man unter den Begriff der Kreditgewährung auch ein Belassen von Liquidität fassen würde.

Auch der Zweck der Vorschrift gebietet keine Ausdehnung auf Vermögensverschlechterungen nach der Auszahlung des Darlehens. Durch § 43a GmbHG wird der Anwendungsbereich des Rechts der Kapitalerhaltung auf die Geschäftsführer und die ihnen gleichgestellten Führungspersonen erweitert. Dabei soll nicht nur ein Absinken des Gesellschaftsvermögens unter die bilanzielle Stammkapitalziffer verhindert, sondern – im Gegensatz zu Darlehen an (Nur-)Gesellschafter nach § 30 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 GmbHG – schon der Gefahr eines solchen Absinkens vorgebeugt werden. Das erscheint deswegen gerechtfertigt, weil bei einer derartigen Kreditvergabe die (übrigen) Geschäftsführer die Kreditwürdigkeit des Darlehensnehmers beurteilen müssen – bei einer Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens nach § 181 BGB sogar der kreditnehmende Geschäftsführer selbst. Damit besteht grundsätzlich die Gefahr, dass die Kreditwürdigkeit nicht mit der erforderlichen Unvoreingenommenheit geprüft wird, gerade auch weil der kreditnehmende Geschäftsführer im Regelfall für etwaige “Gegengeschäfte” mit den prüfenden Geschäftsführern zuständig ist, sich die Adressaten des § 43a GmbHG also gegenseitig (zweifelhafte) Kredite gewähren könnten. Diese Situation verändert sich, wenn es im Anschluss an die Kreditvergabe um eine Gewinnausschüttung an die Gesellschafter geht. Der Gewinnanspruch leitet sich nach § 29 GmbHG aus der Handelsbilanz ab, und darin ist der Darlehensrückzahlungsanspruch der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer genauso zu aktivieren wie jeder andere Anspruch der Gesellschaft. Zwar besteht auch dann noch die Gefahr, dass die Geschäftsführer den gegen einen von ihnen gerichteten Darlehensrückzahlungsanspruch bei der Aufstellung des Jahresabschlusses in voller Höhe aktivieren, obwohl er wegen zwischenzeitlich aufgetretener Zahlungsprobleme wertberichtigt werden müsste. Dieser Gefahr wird aber dadurch vorgebeugt, dass die Gesellschafter im gesetzlichen Regelfall des § 46 Nr. 1 GmbHG den Jahresabschluss feststellen und daher Anlass haben, sich selbst ein Bild von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des darlehensnehmenden Geschäftsführers oder der gleichgestellten Führungsperson zu verschaffen. Angesichts dessen erscheint es nicht angemessen, den Anwendungsbereich des im Verhältnis zur bilanziellen Betrachtungsweise des § 30 GmbHG strengeren § 43a GmbHG auch noch auf die Zeit nach der Darlehensgewährung zu erstrecken.

Die Gefahr einer Umgehung des Verbots aus § 43a GmbHG gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Entscheidung. Diese Gefahr könnte darin gesehen werden, dass zuerst ein Darlehen an den GesellschafterGeschäftsführer ausgereicht wird, das die Stammkapitalziffer noch nicht berührt und deshalb zulässig ist, und danach eine gleich hohe (Gewinn-) Ausschüttung an den Gesellschafter vorgenommen wird, die bei einer Aktivierung des Darlehensrückzahlungsanspruchs ebenfalls nicht gegen das Kapitalerhaltungsgebot verstößt. Bei der umgekehrten Reihenfolge wäre das Darlehen dagegen unzulässig, weil nach § 43a Satz 1 GmbHG zu unterstellen wäre, dass der Rückzahlungsanspruch nicht werthaltig ist und dadurch eine Unterbilanz entsteht. In derartigen Fallgestaltungen kann es geboten sein, von den oben dargestellten Grundsätzen eine Ausnahme zuzulassen. Das ändert aber nichts an dem für die Normalfälle angemessenen Ergebnis. Dass hier ein solcher Umgehungsfall vorliegen würde, ist im hier entschiedenen Fall aber nicht festgestellt.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 23. April 2012 – II ZR 252/10


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