Veräußern die Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH in der Liquidation das Gesellschaftsvermögen an eine Gesellschaft, die von ihnen abhängig ist, kann darin nur dann ein existenzvernichtender Eingriff liegen, wenn die Vermögensgegenstände unter Wert übertragen werden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt ein zum Schadensersatz nach § 826 BGB verpflichtender existenzvernichtender Eingriff dann vor, wenn der Gesellschaft von ihren Gesellschaftern in sittenwidriger Weise das zur Tilgung ihrer Schulden erforderliche Vermögen entzogen und damit eine Insolvenz verursacht wird – wobei im Liquidationsstadium ausreicht, dass der Vermögensentzug gegen § 73 Abs. 1 GmbHG verstößt. Dabei müssen die Gesellschafter mit zumindest bedingtem Vorsatz handeln. Die Darlegungs- und Beweislast trägt die Gesellschaft bzw. der Insolvenzverwalter.
Infolge des Auflösungsbeschlusses sind (bisherigen Geschäftsführer als) Liquidatoren gemäß § 70 GmbHG verpflichtet, die laufenden Geschäfte der GmbH zu beenden, die Vermögensgegenstände der GmbH zu veräußern und mit dem Erlös die Gläubiger zu befriedigen. Dass sie im hier entschiedenen Fall damit sofort begannen und nicht erst das Wirksamwerden des Auflösungsbeschlusses abwarteten, ist unschädlich. Die Liquidatoren waren jedenfalls nicht verpflichtet, den Geschäftsbetrieb der GmbH fortzuführen. Sie durften auch einen im Wesentlichen gleichartigen Geschäftsbetrieb in der Rechtsform einer anderen Gesellschaft, nämlich der Wirtschaftsakademie, aufnehmen. Beschränkungen ergeben sich in der Liquidation der Altgesellschaft lediglich insoweit, als keine Maßnahmen getroffen werden dürfen, die gegen die gläubigerschützenden Vorschriften der §§ 70, 73 GmbHG oder – im Zusammenhang mit dem Eintritt der Insolvenzreife – gegen § 15a InsO, § 64 GmbHG verstoßen oder sonst die Gläubiger der Altgesellschaft benachteiligen. Das Gesellschaftsvermögen darf nicht unter Wert auf die Neugesellschaft übertragen werden mit der Folge, dass die Gläubiger der Altgesellschaft leer ausgehen.
Dies sah der Bundesgerichtshof im hier entschiedenen Fall nicht:
Die Veräußerung der Geschäftsausstattung im Rahmen des Sale-and-leaseback-Verfahrens an die Verwertungsgesellschaft und die Übertragung der Miet, Leasing- und Dienstverhältnisse auf die Wirtschaftsakademie bzw. den Interessenten für das Mietverhältnis in R. dienten dem Liquidationszweck, den Geschäftsbetrieb der Insolvenzschuldner zu beenden. Eine Verlagerung des Geschäftsbetriebs mit seinen Vermögenswerten auf eine von den Gesellschaftern abhängige andere Gesellschaft legt den Schluss auf eine “Selbstbedienung” im Sinne der Existenzvernichtungshaftung nahe. Es war aber nicht festzustellen, dass die Verwertung der Vermögensgegenstände der Gmbh kompensationslos erfolgt oder eine geordnete Abwicklung der auf diese Weise von vornherein nicht möglich und damit betriebswirtschaftlich unvertretbar gewesen wäre.
Die Übernahme der Miet, Leasing- und Mitarbeiterverträge hat schon deshalb nicht zu einem Schaden der GmbH geführt, weil sie dadurch von der Pflicht zur weiteren Zahlung der Mieten und Vergütungen entlastet worden ist. Der Vorwurf, die Liquidatoren hätten nur die “günstigen” Mietverhältnisse auf die Wirtschaftsakademie übertragen, den “ungünstigen” Vertrag für R. dagegen bei der GmbH belassen, ist für den Bundesgerichtshof ebenfalls unbegründet, weil die Liquidatoren auch für das Objekt in R. einen Nachmietinteressenten gefunden haben.
Dass die Geschäftsausstattung in der Bilanz zum 31. Dezember 2003 mit 200.498 € verbucht war, aber nur für 70.000 € an die B. GmbH veräußert worden ist, reicht für die Annahme eines Verkaufs unter Wert nicht aus. Der Preis, der bei einer Verwertung im Rahmen einer Liquidation hätte erzielt werden können, entspricht, so der Bundesgerichtshof, nicht zwingend dem Buchwert.
Unbeanstandet lässt der Bundergerichtshof auch, dass der Firmenwert der GmbH in der Bilanz zum 31.12.2003 mit 86.711 € angegeben war, die Liquidatoren für die Übertragung des good will und insbesondere des Firmenbestandteils “K. ” auf die Wirtschaftsakademie aber keine Gegenleistung vereinbart hatten. Insoweit ermangelte es dem Bundesgerichtshof an einem Parteivortrags, dass für den Geschäftsbetrieb einschließlich des Firmenbestandteils in der konkreten wirtschaftlichen Lage hätte erzielt werden können.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 23. April 2012 – II ZR 252/10