Quantcast
Channel: Rechtslupe » GmbH-Recht
Viewing all articles
Browse latest Browse all 36

Interessenkonflikt bei der Versammlungsleitung in der Gesellschafterversammlung

$
0
0

Ein satzungsgemäß zum Versammlungsleiter in den Gesellschafterversammlungen einer GmbH berufener Gesellschafter unterliegt bei der Abstimmung über den Antrag, ihm die Versammlungsleitung im Hinblick auf einen Interessenkonflikt bei einzelnen Gegenständen der Tagesordnung zu entziehen, keinem Stimmverbot nach § 47 Abs. 4 GmbHG im Hinblick auf diesen Interessenkonflikt.

In dem jetzt vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall war der Versammlungsleiter – ein Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH – in Bezug auf die ersten drei Tagesordnungspunkte vom Stimmrecht ausgeschlossen: Nach dem Rechtsgedanken des § 47 Abs. 4 GmbHG ist es einem Gesellschafter verwehrt, als Richter in eigener Sache abzustimmen. Das gilt sowohl für die Einziehung des Geschäftsanteils aus einem in der Person des Gesellschafters liegenden wichtigen Grund als auch für seine Abberufung als Geschäftsführer aus wichtigem Grund und die außerordentliche Kündigung seines Geschäftsführer-Anstellungsvertrages. Diese angekündigten Beschlüsse sollten jeweils wegen eines in der Person des Versammlungsleiters liegenden wichtigen Grundes gefasst werden.

Aus diesem Interessenkonflikt ergibt sich für den Bundesgerichtshof jedoch nicht die Berechtigung der Gesellschafterversammlung, den nach dem Inhalt der Satzung zum Versammlungsleiter Berufenen gegen dessen Stimmen aus diesem Amt abzuwählen. Dabei kommt es, so der Bundesgerichtshof, nicht darauf an, unter welchen Voraussetzungen und mit welcher Stimmenmehrheit ein satzungsmäßig bestimmter Versammlungsleiter aus seinem Amt abberufen werden kann. Denn der Beschluss über die Abwahl des Versammlungsleiters ist weder mit der satzungsändernden Dreiviertel-Mehrheit des § 53 Abs. 2 GmbHG noch mit einfacher Mehrheit gefasst worden. Der (abzuwählende) Versammlungsleiter unterlag bei dieser Abstimmung keinem Stimmverbot. Deshalb konnte die Mitgesellschafterin mit ihrem nur hälftigen Stimmanteil keinen entsprechenden Beschluss herbeiführen.

Der Versammlungsleiter, der zugleich Gesellschafter ist, hat grundsätzlich das Recht, bei der Entscheidung über seine Abwahl aus Anlass eines ihn betreffenden Interessenkonflikts in Bezug auf den Gegenstand der Tagesordnung mitzustimmen. Weder nach § 47 Abs. 4 GmbHG noch aus dem darin zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken, niemand solle als Richter in eigener Sache tätig sein, besteht insoweit ein Stimmverbot. Voraussetzung für ein Stimmverbot ist, dass aufgrund eines bestimmten Interessenkonflikts typischerweise damit zu rechnen ist, der Gesellschafter werde sich bei der Abstimmung von seinen eigenen Interessen leiten lassen und die Interessen der Gesellschaft – hier in Form des Interesses an einer korrekten und gesetzeskonformen Verhandlungsleitung und Beschlussfeststellung – hintanstellen. Davon kann nicht ohne weiteres ausgegangen werden, wenn es um die Frage geht, ob der Versammlungsleiter wegen eines in Bezug auf einen Tagesordnungspunkt bestehenden Interessenkonflikts abberufen werden soll. Der Versammlungsleiter hat zwar Einfluss auf den Gang der Versammlung. Er kann aber weder Beschlussgegenstände von der Tagesordnung absetzen, noch die Versammlung vertagen. Ist ihm – wie regelmäßig so auch hier – die Feststellung des Ergebnisses der Abstimmungen übertragen, hat er zwar nicht nur die Stimmen zu zählen, sondern auch – vorläufig – zu entscheiden, ob einzelne Stimmen wegen eines Stimmverbots nicht zu berücksichtigen sind; das von ihm festgestellte Beschlussergebnis ist vorläufig verbindlich und kann – außer bei Nichtigkeit – nur durch eine Anfechtungsklage beseitigt werden. Bei dieser Feststellung hat der Versammlungsleiter jedoch kein Ermessen, sondern muss die gesetzlichen Regeln des § 47 GmbHG einhalten.
Für ein grundsätzliches Stimmrecht bei der Abstimmung über die Abwahl als Versammlungsleiters sprechen auch praktische Erwägungen. Ob ein Stimmverbot in Bezug auf einen Tagesordnungspunkt besteht, kann im Einzelfall umstritten sein. Würde man dieses Stimmverbot auf die Abwahl als Versammlungsleiter erstrecken, könnte es – wie auch im vorliegenden Fall – zu einer Pattsituation kommen. Der satzungsmäßig berufene Versammlungsleiter hält sich weiter für zuständig. Die Gegenseite präsentiert einen anderen Versammlungsleiter. Es kommt zu parallelen Gesellschafterversammlungen. Derartige Schwierigkeiten gilt es – soweit möglich – zu vermeiden.

Die übrigen Gesellschafter werden durch die im Einzelfall bestehende Möglichkeit, dass der Versammlungsleiter sein Amt nicht ordnungsgemäß ausübt, nicht unzumutbar belastet. Verletzt der Versammlungsleiter grundlegende Regeln, kann er wegen dieses Verhaltens aus wichtigem Grund abberufen werden. Im Übrigen können die Gesellschafter die Wirksamkeit der von dem Versammlungsleiter festgestellten Beschlüsse mit der Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage nachprüfen lassen.

Die Annahme, ein zu einem Stimmverbot führender Interessenkonflikt hinsichtlich eines Gegenstands der Tagesordnung begründe noch kein Stimmverbot bei der Abstimmung über die Versammlungsleitung, steht nicht im Widerspruch zu dem BGH-Urteil vom 29. März 1973. Darin hat der Bundesgerichtshof ein in Bezug auf einen Tagesordnungspunkt bestehendes Stimmverbot nach § 47 Abs. 4 Satz 2 Alt. 1 GmbHG auch auf die Entscheidung erstreckt, ob der Punkt von der Tagesordnung abgesetzt werden soll. Dem lag eine Fallgestaltung zugrunde, in der der Mehrheitsgesellschafter ein Interesse daran hatte, dass ein Vertrag zwischen der Gesellschaft und einem von ihm abhängigen Unternehmen nicht in der Gesellschafterversammlung erörtert wurde. Der BGH hat sich dabei von dem Gedanken leiten lassen, dass der Gesellschafter, wenn er über den Geschäftsordnungsantrag abstimmt, ebenso befangen ist wie bei einer Abstimmung über die Hauptsache. Das ist – wie dargelegt – bei einer Abstimmung über die Person des Versammlungsleiters im Regelfall anders.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 21. Juni 2010 – II ZR 230/08


Viewing all articles
Browse latest Browse all 36