Der Bundesgerichtshof hat in einem heute verkündeten Urteil die im Jahr 2008 durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) eingeführten neuen Regeln über die verdeckte Sacheinlage sowie deren rückwirkende Anwendung als verfassungsgemäß beurteilt.
Das GmbH-Gesetz schützt die Gläubiger der GmbH durch Regeln zur Aufbringung und zum Erhalt des Stammkapitals. Nach den Regeln über die Kapitalaufbringung, die auch für eine Kapitalerhöhung gelten, ist das Stammkapital entweder in bar einzuzahlen (Bareinlage) oder in Form von Sachen oder sonstigen Vermögenswerten einzubringen (Sacheinlage). Wird eine Sacheinlage geleistet, müssen zum Schutz der Gläubiger, insbesondere zur Sicherung der Vollwertigkeit der Sacheinlage, besondere Formvorschriften eingehalten werden.
Werden diese Formvorschriften umgangen und wird zwar eine Bareinlage beschlossen, erhält die Gesellschaft aber bei wirtschaftlicher Betrachtung vom Einleger aufgrund einer im Zusammenhang mit der Übernahme der Einlage getroffenen Absprache einen Sachwert, muss sich der Einleger nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes so behandeln lassen, als sei tatsächlich eine Sacheinlage verabredet (verdeckte Sacheinlage). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes musste bisher der Gesellschafter, der eine verdeckte gemischte Sacheinlage erbracht hatte, die von ihm versprochene Bareinlage nochmals vollständig einzahlen. Die Geschäfte, die der verdeckten Sacheinlage zugrunde lagen, waren unwirksam.
Mit dem am 1. November 2008 in Kraft getretenen Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) hat der Gesetzgeber die Rechtsfragen einer nach wie vor verbotenen verdeckten Sacheinlage nunmehr anders geregelt. Nach der durch das MoMiG neugefassten Bestimmung des § 19 Abs. 4 GmbHG sind nunmehr die der verdeckten Sacheinlage zugrunde liegenden Geschäfte nicht mehr unwirksam und der Wert der verdeckt eingebrachten, in das Eigentum der Gesellschaft übergegangenen Sache wird auf die Bareinlageverpflichtung des Einlegers angerechnet.
Nach der Übergangsbestimmung des § 3 Abs. 4 EGGmbHG soll diese Neuregelung auch für alle Fälle gelten, in denen die verdeckte Sacheinlage schon vor Inkrafttreten des MoMiG vereinbart und eingebracht wurde.
Der Bundesgerichtshof war mit dieser Neuregelung nun im Rahmen eines Insolvenzverfahrens befasst: Der Kläger in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH (Schuldnerin), welche die beklagte Alleingesellschafterin im Zuge eines “Management buy-out” an die Geschäftsleitung der GmbH veräußern wollte. Die Beklagte zahlte 2003 zunächst auf ein im Soll befindliches Konto der Schuldnerin 739.241,14 € mit dem Verwendungszweck “Aufstockung Stammkapital auf 1 Mio.” und weitere 3 Mio. € mit dem Verwendungszweck “Einzahlung in die Kapitalrücklage”. Wenige Tage später verkaufte die Beklagte der GmbH Lizenzen zu einem Kaufpreis von 3,99 Mio. €. Kurz darauf fasste die Beklagte den Beschluss, das Stammkapital der GmbH bar um 739.241,14 € auf 1 Mio. € zu erhöhen. Am selben Tag überwies die GmbH der Beklagten 3,99 Mio. € mit dem Verwendungszweck “Kaufpreis Lizenzen”. Danach befand sich ihr Konto wiederum im Soll. Anschließend veräußerte die Beklagte ihren Geschäftanteil von 1 Mio. € für 1,00 € an die Geschäftsleitung der GmbH.
Der Kläger hat die Beklagte auf erneute Zahlung von 739.241,14 € mit der Behauptung in Anspruch genommen, die Beklagte habe statt der versprochenen Bareinlage die tatsächlich wertlosen Lizenzen im Wege der verdeckten Sacheinlage bei der Schuldnerin eingebracht und sei deshalb nicht von ihrer Verpflichtung frei geworden, die versprochene Bareinlage zu leisten. In Höhe von 3 Mio. € hafte die Beklagte, weil sie sich zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliches Vermögen in einer Krise der Schuldnerin habe auszahlen lassen.
Das erstinstanzlich mit dieser Klage befasste Landgericht Hildesheim hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht Celle die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil zurückgewiesen. Der Bundesgerichtshof hat nach Zulassung der Revision das Berufungsurteil des OLG Celle aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht Celle zurückverwiesen.
Die von § 3 Abs. 4 EGGmbHG angeordnete rückwirkende Anwendung des § 19 Abs. 4 GmbHG n.F. und damit die rückwirkende Anrechnung des Werts der Lizenzen auf die Bareinlageforderung ist, so der Bundesgerichtshof in seiner Urteilsbegründung, nach Überzeugung des Bundesgerichtshofs nicht verfassungswidrig: § 3 Abs. 4 EGGmbHG regelt in der Terminologie des Bundesverfassungsgerichts lediglich eine unechte Rückwirkung oder tatbestandliche Rückanknüpfung. Er bezieht sich auf die Kapitalaufbringung als einen einheitlichen Vorgang und damit nicht nur auf die in der Vergangenheit liegenden Geschäfte, die der Einbringung der Sache zugrunde lagen. Die Kapitalerhöhung um 739.241,14 € war im Ausgangsfall noch nicht abgeschlossen, weil die Einlageschuld nicht durch die verdeckte Sacheinlage getilgt war.
Da das OLG Celle den Wert der nach neuem Recht anzurechnenden Lizenzen noch nicht ermittelt hatte, konnte der Bundesgerichtshof über die Klage auf nochmalige Leistung der Bareinlage in Höhe von 739.241,14 € mangels Feststellungen zu einem etwa anzurechnenden Wert nicht in der Sache entscheiden.
Ebenfalls in der Revisionsinstanz nicht endentscheidungsreif war die Klage, soweit sie sich auf Zahlung weiterer 3 Mio. € richtete. Da der Kaufvertrag über die Lizenzen nach neuem Recht als wirksam zu behandeln war, kam es für die Begründetheit des Anspruchs auf die Frage an, ob sich die Schuldnerin bei Zahlung des Kaufpreises bereits in der Krise befand oder ob durch diese Auszahlung eine Unterbilanz entstand. Da das Berufungsgericht dazu keine Feststellungen getroffen hatte, war seine Entscheidung auch insoweit aufzuheben.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.03.2010 – II ZR 12/08