Sieht der Gesellschaftsvertrag vor, dass Beschlüsse der Gesellschafter binnen drei Monaten seit der Beschlussfassung durch Klage angefochten werden können, so genügt die Einreichung eines PKH-Gesuchs zur Wahrung der Frist nicht.
Der Wortlaut des Gesellschaftsvertrages der GmbH bestimmt vorliegend, dass die Frist durch Klage zu wahren ist. Dieser von den Parteien gewählte Wortlaut ist in seiner prozessualen Bedeutung eindeutig und nicht auf Anträge wie das Prozesskostenhilfegesuch, das in der Sache ein auf die Gewährung eines sozialhilferechtlichen Sonderbedarfs gerichtetes Verwaltungsbegehren ist, erweiterbar. Für den vergleichbaren Wortlaut des § 246 Abs. 1 AktG gilt nichts anderes. Zwar sind auch gesellschaftvertragliche Bestimmungen einer objektivierten Auslegung zugänglich. Diese muss sich aber gleichfalls am Wortlaut ausrichten, da der Sinnzusammenhang des § 12 Nr. 9 GV mit den übrigen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags nichts anderes ergibt.
Ein über den Wortlaut hinausgehendes erweiterndes Verständnis des Gesellschaftsvertrages erscheint nicht geboten.
Das GmbHG enthält zur Geltendmachung der Mangelhaftigkeit von Beschlüssen keine Regelungen.
Nach nicht unbestrittener herrschender Ansicht sind auf fehlerhafte Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer GmbH die aktienrechtlichen Vorschriften mit der Folge entsprechend anzuwenden, dass von dem Versammlungsleiter festgestellte Beschlüsse, soweit sie zwar fehlerhaft, aber nicht nichtig sind, vorläufig verbindlich sind und angefochten werden müssen, wenn sie nicht endgültig wirksam werden sollen. Dieser Rechtslage trägt § 12 Nr. 9 GV Rechnung, indem er für die Geltendmachung der Mangelhaftigkeit eine Klage verlangt.
Für die zur klageweise Anfechtung einzuhaltende Frist wird der in § 246 AktG bestimmten Monatsfrist allerdings nur eine Leitbildfunktion eingeräumt, weil die Breitenwirkung von Gesellschafterbeschlüssen bei der GmbH regelmäßig geringer und das Gewicht individueller Interessen entsprechend größer sei als bei der AG. Zudem seien die Auswirkungen einer Anfechtungsklage auf das Verhältnis der Gesellschafter untereinander häufig sehr erheblich und zögen die Vertrauensgrundlage zwischen den Gesellschaftern, die für die AG typischerweise keine Rolle spiele, auf der die GmbH aber in der Regel beruhe, nachhaltig in Mitleidenschaft. Aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht erwächst aber die Notwendigkeit, dass der Gesellschafter die Klage mit aller zumutbaren Beschleunigung erhebt. Wird die Monatsfrist wesentlich überschritten, so ist zu prüfen, ob der Gesellschafter an einer früheren Klageerhebung durch zwingende Umstände gehindert war. Ohne solche besonderen Umstände ist diese Monatsfrist zu wahren.
Eine Regelung der Anfechtungsfrist in der Satzung ist daher zulässig, soweit nicht eine bei wertender Betrachtung unter allen Umständen als unangemessen anzusehende Frist festgesetzt wird. Eine solche Fristbestimmung wäre als unzulässiger Eingriff in ein nicht einschränkbares unverzichtbares Gesellschafterrecht von der Satzungsautonomie nicht mehr gedeckt. Die Monatsfrist des § 246 AktG wird daher als Untergrenze für die satzungsrechtliche Gestaltungsfreiheit angesehen, eine gesellschaftsvertragliche Verlängerung aber zugelassen.
Die in § 12 Nr. 9 GV festgesetzte 3-Monatsfrist wahrt diese Vorgaben und bestimmt eine dreimal längere Frist, als für gewöhnlich einzuhalten ist.
Ein Prozesskostenhilfegesuch wahrte diese Frist nicht.
So wird auch für die gesetzliche Frist des § 246 Abs. 1 AktG geurteilt, dass ein innerhalb der Monatsfrist eingereichtes Prozesskostenhilfegesuch nicht genügt. Hierfür spricht neben dem klaren Wortlauts der Vorschrift, dass § 246 Abs. 1 AktG trotz der bekannten Problematik und trotz Neuregelungen zur Anfechtung aktienrechtlicher Beschlüsse in § 246 und § 246a AktG nicht verändert worden ist, obwohl dies durch eine Erwähnung des Prozesskostenhilfeverfahrens oder, wie in dem auch in jüngerer Vergangenheit geschaffenen § 46 Abs. 1 Satz 3 WEG geschehen, durch Verweis auf eine entsprechende Anwendung der §§ 233 – 238 ZPO möglich war.
Dem PKH-Gesuch mit Klageentwurf kann auch nicht über § 167 ZPO fristwahrende Wirkung beigemessen werden, weil diese Bestimmung nur für eine anhängig gemachte Klage gilt. Auch mit § 204 Nr. 14 BGB kann eine solche Wirkung nicht erreicht werden, denn diese Bestimmung betrifft nur die Verjährung von Ansprüchen, nicht aber materiell-rechtliche Ausschlussfristen.
Dies wird als unbefriedigend empfunden und über eine Rechtsfortbildung entweder in Anlehnung an § 167 ZPO, § 204 Nr. 14 BGB, §§ 233 – 238 ZPO oder im GmbH-Recht über eine Verlängerung der angemessenen Frist dem Prozesskostenhilfegesuch eine fristwahrende Bedeutung beigemessen.
Hierdurch soll einer auch verfassungsrechtlich als bedenklich angesehenen Rechtsschutzlücke begegnet werden, die bestehe, weil es eine bedingte Klageerhebung nicht gebe, eine Entscheidung über den PKH-Antrag nicht rechtzeitig zu erlangen sei und der Aktionär dann unter Vorlage der vollen Kosten die Klage erheben müsse.
Die Ausfüllung einer Regelungslücke praeter legem setzt bereits im Ansatz voraus, dass es sich um ein unbeabsichtigte Lücke handelt, daran bestehen aber wie dargestellt erhebliche Zweifel.
Zudem zeigt die zitierte Begründung Hüffers, dass eine Regelungslücke genauerer Betrachtung bedarf. § 247 Abs. 2 und 3 AktG, die auch im GmbH-Recht entsprechend heranzuziehen sind, ermöglichen es der über begrenzte Mittel verfügenden Partei, den Streitwert herabsetzen zu lassen. § 14 Nr. 3 GKG eröffnet zudem die Möglichkeit, eine Zustellung vor Zahlung eines Gerichtskostenzuschusses zu erlangen, wenn durch die verzögerte Zustellung ein Rechtsverlust, etwa durch Verstreichen einer Klagefrist – wie hier – droht. Eine Rechtsschutzlücke besteht demnach nur, wenn diese beiden Möglichkeiten auch in ihrer Kombination nicht genügen. Dies mag der Fall sein, wenn der Anfechtende keinerlei Zahlungen erbringen kann. Dann wird ihm aber auch durch die Prozesskostenhilfe nicht jedes finanzielle Risiko abgenommen, da er im Unterliegensfall die Kosten des Gegners zu tragen hat. Überdies geht es um eine zwischen Privatpersonen in einem Gesellschaftsvertrag getroffene Regelung. In diesem Verhältnis entspricht es der Privatautonomie, dass die Parteien Vereinbarungen treffen können, wonach bestimmte Rechte von finanziellen Leistungen abhängig sind, etwa bestimmten Zahlungen oder Gestellungen von Sicherheiten, ohne dass es verfassungswidrig wäre oder der Bedürftige ein solches Risiko auf die Allgemeinheit verlagern könnte, wenn er diese Rechte nicht ausüben kann, weil er nicht über die Mittel verfügt, um diese Auflagen zu erfüllen.
Eine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke läge auch nur vor, wenn kein anderes Vorgehen zumutbar ist, wie es hier mit der Verbindung von (unbedingter) Klageeinreichung und Prozesskostenhilfegesuch zur Verfügung steht. Wird in diesem Fall Prozesskostenhilfe bewilligt, steht sich die Partei nicht anders, als wenn sie ein Prozesskostenhilfegesuch mit einem Klageentwurf verbunden und nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe die Klageschrift eingereicht hätte. Wird die Prozesskostenhilfe mangels Bedürftigkeit versagt, treffen bei unbedingter Klageerhebung die Prozesskosten einen Leistungsfähigen. Möchte er die Klage zwar erheben, wenn er sie nicht bezahlen muss, nicht aber, wenn er dazu verpflichtet ist, führt die Ansicht, dass eine Prozesskostenhilfegesuch fristwahrend wirkt, zu einer Besserstellung des – wenn auch entschuldbar vermeintlich – Bedürftigen gegenüber demjenigen, der seine finanzielle Leistungsfähigkeit richtig einschätzt. Eine solche Besserstellung ist mit der Prozesskostenhilfe nicht intendiert. Der Bedürftige, dessen Prozesskostenhilfegesuch wegen Mutwilligkeit zurückgewiesen wird, ist ohnehin nicht schutzwürdig. Nur wenn die Prozesskostenhilfe versagt wird, weil die Anfechtungsklage keine Aussicht auf Erfolg hat, trägt die bedürftige Partei, wenn die Klage unbedingt eingereicht ist, ein Prozesskostenrisiko, dass ihr mit einem Nacheinander von Prozesskostenhilfegesuch und Klage nicht zugemutet werden soll.
Bei einem solchen Nacheinander begegnet die Anwendung des § 234 ZPO oder seiner Wertung aber gleichfalls Bedenken. Es ist einhellige Meinung, dass auf die materiell-rechtliche Ausschlussfrist zur Beschlussanfechtung der auf prozessuale Fristen beschränkte § 234 ZPO auch seinem Grundgedanken nach keine (analoge) Anwendung findet. Der Rückgriff für den erfolglos um Prozesskostenhilfe Nachsuchenden wäre demnach, wenig überzeugend, singulär. Warum es aber verfassungsrechtlich bedenklich sein soll, wenn der mangels Erfolgsaussichten voraussichtlich erfolglos Klagende keine Gelegenheit erhält, eine nicht erfolgversprechende Klage mit Mitteln zu führen, über die er nicht verfügt, oder der vermeintlich Bedürftige nicht noch mal eine Überlegungsfrist bekommt, während derjenige, der etwa infolge eines Unfalls auf dem Weg zum Gerichtsbriefkasten die Klage nicht rechtzeitig einreichen kann, mit Anfechtungsgründen ausgeschlossen sein soll, erschließt sich nicht. Die Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), die es gebieten, den Zugang zu den Gerichten und den in den Verfahrensordnungen vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren, sind für den Verunfallten in (mindestens) gleicher Weise tangiert. Im Rahmen der Anfechtungsfrist erlangt dies aber eben nur mittelbare Bedeutung, weil es um ein Element einer die Anfechtung materiell-rechtlich ausschließenden Regelung geht und in diesem Verhältnis die Interessen des Gesellschafters mit denen der Gesellschaft und der Mitgesellschafter unter Berücksichtigung des im Kapitalgesellschaftrecht besonders ausgeprägten Bedürfnisses nach Rechtssicherheit und Rechtsklarheit in ein Gleichgewicht gebracht werden müssen.
Der vorliegende Fall zeigt auch, dass der weitere Ausgangspunkt, eine Entscheidung im Prozesskostenhilfeverfahren könne nicht erreicht werden, nicht ohne weiteres richtig ist. Da der Streitstoff keine besonderen Umstände bietet, die – ohne gesellschaftsvertragliche Regelung – ein Überschreiten der grundsätzlich einzuhaltenden Monatsfrist rechtfertigen würden, konnte von der Klägerin erwartet werden, dass sie ihr Prozesskostenhilfegesuch binnen Monatsfrist erstellt und unter Hinweis auf eine drohende Klagefristverstreichung bei Gericht einreicht. Da die Anhörung des Gegners (§ 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO) nur zu den Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung und deren Mutwilligkeit erfolgt, im Übrigen ihre Länge aber auch von der Eilbedürftigkeit der Entscheidung abhängt, konnte umgehend ein die Bedürftigkeit verneinender Beschluss ergehen. Über die Erfolgsaussichten durfte jedenfalls nach der üblichen zweiwöchigen – hier betrug sie nach Verlängerung sechs Wochen – Anhörungsfrist eine Entscheidung erwartet werden. Die gesellschaftsvertragliche 3-Monatsfrist genügte demnach durchaus, um das Prozesskostenhilfeverfahren durchzuführen oder zumindest eine erste richtungsweisende Entscheidung zu erhalten.
Für den hier vorliegenden Regelfall ist daher schon nicht von einer unangemessen kurzen gesellschaftsvertraglichen Frist auszugehen, selbst wenn der Klägerin ein Prozesskostenhilfeverfahren vor Klageerhebung anstrebte.
Letztlich kann die Frage aber dahinstehen. Das Prozesskostenhilfegesuch der Klägerin wirkte nämlich selbst bei Anwendung der Wertungen des § 234 ZPO nicht fristwahrend. Denn es war aufgrund der gesellschaftsvertraglichen Treuepflicht notwendig, mit aller zumutbaren Beschleunigung vorzugehen. Daran fehlt es.
Für den Maßstab der zumutbaren Beschleunigung kann auf §§ 233ff. ZPO zurückgegriffen werden. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist es erforderlich, dass innerhalb der wiedereinsetzungsfähigen Frist ein vollständiges Prozesskostenhilfegesuch eingebracht ist und der Antragsteller vernünftigerweise nicht damit rechnen muss, dass der Antrag wegen fehlender Bedürftigkeit abgelehnt wird. Dabei obliegt es dem Antragsteller gemäß § 117 Absatz 4 ZPO, zur Darlegung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse den durch die Verordnung vom 17. 10.1994 eingeführten Vordruck rechtzeitig (vor Ablauf der Frist) ordnungsgemäß ausgefüllt zu den Akten zu reichen. Daran fehlt es, wenn – wie hier – die Erklärung unvollständig ist.
Die Angaben der Klägerin zu ihrer Bedürftigkeit waren auch für sie erkennbar unzureichend, widersprüchlich und unvollständig. So erklärte sie, Kindergeld zu erhalten, hatte aber ihre Tochter nicht im Gesuch genannt. Weiter gab sie einerseits an, nicht über Einkünfte zu verfügen, andererseits aber ein 440 m² großes Mehrfamilienhaus allein zu bewohnen, für ihre angeblich ertragslose gewerbliche Tätigkeit zu nutzen und hierfür monatlich EUR 3.658,75 aufzuwenden. Der Wert des Hauses war nicht glaubhaft gemacht, Darlehensunterlagen nur bruchstückhaft beigefügt. Eine Erklärung, wieso keine Mieteinkünfte erzielt wurden, obwohl sich der Streit mit dem Mitgesellschafter und der Beklagten bereits seit 1 ½ Jahren hinzog, war nicht gegeben. Die von der Klägerin gehaltene sechs Markenrechte waren nicht als Vermögenswerte genannt. Die Klägerin hatte als Gehalt, Gewinnbeteiligung und über ihre “A.- Vertriebsgesellschaft” in den Jahren 2006 bis 2009 jeweils Einkünfte im sechsstelligen Eurobereich, so dass erklärungsbedürftig war, wieso keine Vermögenswerte vorhanden sein sollten, aus denen die Prozesskosten finanziert werden konnten. Ausgehend von einem solchen Gesuch konnte mit einer (baldigen) Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht gerechnet werden.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 17. Mai 2013 – 7 U 57/12